Pressemitteilung

Unerträglicher Durst und ständiger Harndrang

Komplexe Ursachen – Abklärung durch Endokrinologie empfohlen

Altdorf, Februar 2024 – Ständiger Durst und Harndrang – mit diesen Symptomen kommen viele Patientinnen und Patienten in die Arztpraxis. In der Mehrzahl der Fälle wird dann ein Diabetes mellitus diagnostiziert. Doch auch andere Erkrankungen können die Ursache sein. Dazu gehört etwa eine Fehlfunktion des Antidiuretischen Hormons (ADH). Das ADH, auch Arg(inin)-Vasopressin (AVP) genannt, steuert im menschlichen Körper den Wasserhaushalt. Sowohl ein Mangel des Hormons als auch eine Resistenz gegenüber dem Botenstoff führen zu den beschriebenen Beschwerden. Die genaue Abklärung stellt unverändert eine der schwierigsten Fragestellung in der Endokrinologie dar. Was Ärztinnen, Ärzte und Betroffene darüber wissen sollten, ist ein Thema auf der Online-Pressekonferenz der DGE am 5. März 2024. Diese findet im Vorfeld des 67. Deutschen Kongresses für Endokrinologie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) vom 6. bis 8. März 2024 in Rostock statt.

Von einer erhöhten Urinausscheidung (Polyurie) spricht man bei einem täglichen Urinvolumen von mehr als 3 Litern. „Zunächst müssen wir unterscheiden, ob ein urologisches Problem, etwa eine Blasenentzündung, dahintersteckt, oder ob eine sogenannte echte Polyurie vorliegt“, sagt Professor Dr. med. Stephan Petersenn, Mediensprecher der DGE und Inhaber der ENDOC-Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg. Frei nach dem medizinischen Leitprinzip "Das Häufige ist häufig, das Seltene ist selten", gilt es im nächsten Schritt abzuklären, ob es sich um eine sogenannte Wasserdiurese oder eine osmotische Diurese handelt. Mit Diurese wird die Harnausscheidung durch die Nieren bezeichnet. Eine osmotische Diurese liegt etwa bei Diabetes mellitus vor. Der Körper muss den erhöhten Blutzuckerspiegel mit Wasser „verdünnen“, um die Glukose ausscheiden zu können. Entsprechend hoch ist dann die Urinmenge.

„Haben wir es jedoch mit einer Wasserdiurese zu tun, müssen wir beurteilen, ob das Wasserlassen durch vermehrte Flüssigkeitszufuhr verursacht wurde, zum Beispiel aufgrund einer Störung des Durstgefühls (primäre Polydipsie)“, so Petersenn. Als Auslöser kommt aber auch eine unzureichende Ausschüttung von ADH aus dem Hypophysenhinterlappen infrage. Dies wurde früher „zentraler Diabetes insipidus“ genannt. Ebenso ist es möglich, dass die Nieren auf das ADH nicht mehr ausreichend reagieren und damit nicht in der Lage sind, den Urin zu konzentrieren. Hier lautete die Bezeichnung „nephrogener oder renaler Diabetes insipidus“. „Die noch weit verbreitete Benennung der Krankheitsbilder als „Diabetes insipidus centralis“ beziehungsweise „renalis“ wird nicht mehr empfohlen, um die häufige Verwechselung mit einem Diabetes mellitus zu vermeiden“, so Petersenn.

Die Diagnostik war jahrzehntelang durch den sehr belastenden Durstversuch geprägt: „Die Betroffenen mussten bis zu 10 Stunden unter stationärer Überwachung auf jegliche Flüssigkeitsaufnahme verzichten“, erläutert der Endokrinologe. „Damit konnten wir die Konzentrationsfähigkeit der Nieren untersuchen und erhielten so einen indirekten Hinweis auf die ADH-Wirkung.“ In den letzten Jahren sind verschiedene Alternativen zum Durstversuch zum Einsatz gekommen, etwa die Bestimmung des Moleküls Copeptin als Marker für das instabile und schwierig zu messende ADH, zum Beispiel im Rahmen des Arginin-Tests. Nach aktuellen Studien hat dieser Test jedoch nur eine begrenzte Aussagekraft, so dass weiterhin der aufwendige sogenannte hyperosmolare Kochsalz-Infusionstest der Goldstandard bleibt. Hier wird unter kontrollierten stationären Bedingungen eine Lösung verabreicht, die einen höheren Anteil an gelösten Salzen enthält.

„Die Abgrenzung eines partiellen ADH-Mangels von einem gesteigerten Flüssigkeitskonsum ohne Grunderkrankung (primäre Polydipsie) bedarf einer besonderen Erfahrung – wichtig ist dabei ein stufenweises Vorgehen, um die Diagnose korrekt zu stellen und die Belastung des Patienten gering zu halten“, fasst Petersenn zusammen.

Terminhinweis

Wie es nach der Diagnose von starkem Durst und vermehrtem Wasserlassen weitergeht, etwa welche weiteren Ursachen abgeklärt werden müssen und welche Therapien zur Verfügung stehen, ist eines der Themen auf der Online-Pressekonferenz der DGE am Dienstag, 5. März 2024 von 11 bis 12 Uhr.

Mehr Informationen zur Pressekonferenz

Quellen

Refardt J, Atila C, Chifu I, Ferrante E, Erlic Z, Drummond JB, Indirli R, Drexhage RC, Sailer CO, Widmer A, Felder S, Powlson AS, Hutter N, Vogt DR, Gurnell M, Soares BS, Hofland J, Beuschlein F, Fassnacht M, Winzeler B, Christ-Crain M. Arginine or Hypertonic Saline-Stimulated Copeptin to Diagnose AVP Deficiency. N Engl J Med. 2023;389:1877-1887.

Atila C, Loughrey PB, Garrahy A, Winzeler B, Refardt J, Gildroy P, Hamza M, Pal A, Verbalis JG, Thompson CJ, Hemkens LG, Hunter SJ, Sherlock M, Levy MJ, Karavitaki N, Newell-Price J, Wass JAH, Christ-Crain M. Central diabetes insipidus from a patient’s perspective: management, psychological co-morbidities, and renaming of the condition: results from an international web-based survey. Lancet Diabetes Endocrinol. 2022;10:700-709.

Arima H, Cheetham T, Christ-Crain M, Cooper D, Gurnell M, Drummond JB, Levy M, McCormack AI, Verbalis J, Newell-Price J, Wass JAH. Changing the name of diabetes insipidus: a position statement of The Working Group for Renaming Diabetes Insipidus. Eur J Endocrinol. 2022;187:P1-P3.

Interessenkonflikte

Professor Stephan Petersenn gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Kontakt für Journalisten

Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Prof. Dr. med. Stephan Petersenn (Mediensprecher)
Dr. Adelheid Liebendörfer
Postfach 30 11 20
D-70451 Stuttgart
Telefon: 0711 89 31-173
Telefax: 0711 89 31-167

www.endokrinologie.net
www.dge2024.de


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